Das Corona-Stimmungsbarometer
Schwerpunkte der öffentlichen Debatte, 03/2020 – 08/2022
Das Corona-Stimmungsbarometer von webLyzard technology und Ketchum Publico analysiert die öffentliche Online-Debatte in Österreich und visualisiert die darin transportierten Themen und Stimmungen. Eine kontinuierliche Echtzeit-Beobachtung verdeutlicht nicht nur, wie sich die Geschichten und das Narrativ in den letzten Jahren gewandelt haben, sondern ermöglicht darüber hinaus auch inhaltliche Vorhersagen. Ergänzend zu den Analysen österreichischer Quellen sind auch internationale Resultate verfügbar.
Auslöser von Emotionen und langfristigen Trends
Für den folgenden Screenshot des Visual Analytics Dashboards wurden 304.500 Web-Dokumente ausgewählt, in denen COVID oder Corona im Titel vorkommt. Am Anfang der Pandemie waren “Angst”, “Traurigkeit” und “Wachsamkeit” die vorherrschenden Emotionen. Nach der ersten Welle ist ein klares Abflachen zu erkennen, was mit der geringeren Zahl an Neuinfektionen im Sommer zu erklären ist. Mit dem Start der zweiten Welle im Oktober 2020 war wieder „Angst“ tonangebend. Im Jänner 2021 wechselte die dominante Emotion zu „Wachsamkeit“ als Folge der Entdeckung neuer Virusvarianten und Berichten zur Wirksamkeit der ersten Impfungen. Der Sommer 2021 bringt wiederum ein Abflachen der Kurven.
Mit Beginn der nächsten Welle ab Oktober sind „Angst“ und „Traurigkeit“ in Zusammenhang mit der Durchimpfungsrate und den berichteten Todeszahlen bemerkbar. Die Spitze bei „Wachsamkeit“ im Jänner 2022 ist mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Omikron-Variante zu erklären. Ab März 2022 zeigt die Berichterstattung eine rückläufige Tendenz. Einerseits hat wieder ein Gefühl der Normalität Einzug gehalten, anderseits haben aktuelle geopolitische Ereignisse COVID-19 als zentrales Thema abgelöst. Wachsamkeit bleibt aber im Zusammenhang mit Corona weiterhin die führende Emotion.
Ein Blick in die Zukunft
Das System lässt auch Vorhersagen zu, wie sich die öffentliche Online-Debatte weiter entwickeln wird. Hier wurden die Prognosemodelle des FFG-geförderten EPOCH-Projekts mit den Textklassifizierungsalgorithmen des GENTIO-Projekts verbunden. Welche Corona-bezogenen Ereignisse werden zwischen September und Dezember 2022 dominieren? Ein Blick auf die internationale Berichterstattung zeigt: das vorherrschende Thema bleiben die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Tourismus, etwa Flugplanänderungen oder die geplante Lockerung der Quarantänebestimmungen in bestimmten Ländern. Der Tourismus, die Luftfahrtindustrie und internationale Großveranstaltungen wie der G20-Gipfel in Indonesien oder die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft in Katar auch weiterhin die Berichterstattung prägen werden.
Vertrauen und Grant halten sich im Shut-Down die Waage
(April 2020). Nach sechs Wochen im Shut-Down kristallisieren sich sechs Emotionen als prägend heraus: Angst, Akzeptanz, Vertrauen, Traurigkeit, Grant und Freude. Die Zeitreihen des Corona-Stimmungsbarometers zeigen klare Peaks der Emotionen, welche die markantesten Ereignisse des Monats reflektieren (gemessen wird jeweils die Share of Voice-Abweichung vom Durchschnitt der letzten sechs Monate – in stündlichen Intervallen, wobei zur Glättung der Kurven ein gleitender Durchschnitt mit einem 24 Stunden-Fenster verwendet wird).
Beispielsweise ist rund um den 20. März ein rapider Anstieg der Emotion Traurigkeit feststellbar, ausgelöst durch die hohe Zahl von Todesopfern in Italien, insbesondere in Bergamo. Bilder aus den Spitälern und ein Interview mit einem italienischen Profi-Fußballer verstärken diesen Effekt.
Grantiges Österreich?
Die Emotion Grant, ein viel zitiertes Charakteristikum der österreichischen Seele, schnellt erst Ende März hoch: Die Situation in den Wiener Krankenhäusern spitzt sich zu, und die Online-Debatte dreht sich um den Umgang mit der Krise in Tirol. Zu diesem Zeitpunkt verzeichnet das Stimmungsbarometer auch einen deutlichen Einbruch des Vertrauens – eine Kategorie, die sich sonst sehr stabil zeigt.
Zu Ostern gehen die Emotionen hoch
Die Zeit rund um Ostern erlebt Österreich sehr emotional. Das Corona-Stimmungsbarometer zeigt einen Anstieg sämtlicher Kategorien: Die öffentliche Debatte beschäftigt sich mit der Trauer um Verstorbene, speziell am Karfreitag und während der Ostermesse. Aber auch die positive Emotion der Freude verzeichnet zu Ostern einen Anstieg: Der Lockdown zeigt Erfolge – die Freude über die Reduktion der Neuinfektionen zeichnet sich bereits klar im Corona-Stimmungsbarometer ab.
Wenig Freude, viel Vertrauen
Das Corona-Stimmungsbarometer zeigt auch, wie die Ausgangsbeschränkungen wahrgenommen wurden: Die ersten Tage sind von hoher Akzeptanz gegenüber den Maßnahmen zur Bewältigung der Krisensituation geprägt. Deutlich erkennbar ist, dass sich die Emotion Freude den ganzen Monat über auf sehr niedrigem Niveau bewegt – im Gegensatz zur Angst, die viele Aspekte der öffentlichen Debatte dominiert. Jedoch zeigt das Corona-Stimmungsbarometer, dass in dieser Debatte auch stets ein hohes Maß an Vertrauen mitschwingt.
Zusätzlich zu dem oben gezeigten Trend Chart können Emotionen und inhaltlichen Assoziationen mit COVID-19 in vielfältiger Weise visualisiert werden, unter anderem in Form eines Keyword Graphs, eines Radar Charts oder einer Tag Cloud.
Über das Corona-Stimmungsbarometer
Die webLyzard Web Intelligence-Plattform analysiert digitale Inhalte – in Echtzeit und unter Nutzung zahlreicher Quellen, unter anderem die Websites von Medien, Behörden, Unternehmen und sonstigen Organisationen, sowie die Social-Media-Kanäle Twitter, Facebook, Instagram, YouTube und Reddit. Neben der Visualisierung aufstrebender Themen und der automatischen Erkennung von Meinungsführern lassen sich auch Markenwerte oder vorherrschende menschliche Emotionen ableiten.
Hier setzt das Corona-Stimmungsbarometer an, bei dem ein Algorithmus die Emotionen in der öffentlichen Debatte seit Beginn des Shut-Downs am 16.3.2020 aus dem Content zahlreicher Online-Kanäle in stündlichen Intervallen berechnet. Das Corona-Stimmungsbarometer wird von webLyzard technology und Ketchum Publico künftig regelmäßig veröffentlicht.
In dem BMK/FFG-geförderten Forschungsprojekt EPOCH (Event Prediction from Hybrid Datasets) unter Beteiligung der MODUL Technology GmbH, KPMG Austria und Ketchum Publico werden die zugrundeliegenden Analysemethoden laufend weiterentwickelt.